Valentin Hintner

Valentin Hintner - Dialektforscher, Sprachwissenschaftler und Pädagoge (1843-1923)

Die Familie Hintner
Im 17. Jahrhundert waren Mitglieder der Familie Hintner im Gefolge der Protestantenausweisung aus dem Gsieser Tal auf verwaiste Höfe im Defereggen eingewandert. Die Hintners wohnten in Bruggen, und zwar beim heutigen „Felder Wirt“ und ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in der Schwaige Unterrauth. Georg Hintner (1799-1851) war dort Bauer und arbeitete zugleich als Handelsmann. Er heiratete 1832 Anna Ladstätter, mit der er sieben Kinder hatte. Die Tochter Maria (verehelichte Oberwalder) übernahm den Hof, der älteste Sohn Josef (1837-1900) wurde Kapuzinerpater mit dem Ordensnamen Amadeus (er wirkte in Nord- und Südtirol sowie in Vorarlberg) und der jüngste Sohn Johann gründete 1880 eine Hutfabrik in Wels („Huthaus Hintner“), die bis vor wenigen Jahren in Familienbesitz war.

Valentin Hintners Schul- und Studienzeit (1852-1868)
Der mittlere Sohn Valentin kam am 31. Jänner 1843 zur Welt. Er besuchte die Volksschule in Feld. Seinem Lehrer Peter Oberwalder setzten später dankbare Schüler einen Grabstein in St. Veit – ein Zeichen, dass er ein guter Pädagoge gewesen sein muss! Von 1857/58 bis 1865 war Valentin Schüler des k. k. Staatsgymnasiums in Brixen. Seine Begabung lag eindeutig im Bereich der alten Sprachen Latein und Griechisch, die damals das Herzstück des gymnasialen Unterrichts ausmachten. Hintner hatte übrigens zwei Mitschüler aus dem Defereggental, von denen einer, Johann Obkircher aus St. Veit, die Matura mit Auszeichnung bestand; er studierte Theologie und wurde Priester. 1878 verunglückte er als Pfarrer von Lappach bei einer Bergtour.
Nach der Matura schlug Hintner eine wissenschaftliche Laufbahn ein: Er absolvierte an der Universität Innsbruck von 1865 bis 1868 ein Lehramtsstudium für Klassische Philologie (= Latein und Griechisch).

Hintners Unterrichtstätigkeit in Brixen, Innsbruck, Czernowitz und Wien (1869-1904)
In den ersten Jahren wechselte Hintner innerhalb kurzer Zeit mehrmals seinen Wirkungsort: Nach einem Semester als Probekandidat in Brixen und einem weiteren Semester in Innsbruck wurde Hintner 1870 durch Ministerialerlass nach Czernowitz berufen. Die neue Wirkungsstätte in der Hauptstadt des östlichsten österreichischen Kronlandes Bukowina bedeutete für ihn eine große Umstellung und Herausforderung, musste er doch damals die so genannte „Programmarbeit“, also einen umfangreichen wissenschaftlichen Beitrag für den Jahresbericht verfassen.

Nicht zuletzt deshalb dürfte Hintner eine Rückkehr in den „Westen“, genauer gesagt nach Wien angestrebt haben: Nach einem Jahr am Communal-Real- und Obergymnasium in Wien Mariahilf, dem heutigen Amerlinggymnasium (1871/1872) kam Hintner an eine der traditionsreichsten Schulen der Stadt, das 1553 gegründete Akademische Gymnasium (AKG). Insgesamt 32 Jahre wirkte Hintner hier als Pädagoge und Lehrer, zählte zahlreiche spätere Prominente (siehe unten) zu seinen Schülern und veröffentlichte einen wissenschaftlichen Beitrag nach dem anderen.

Dass Hintner ein erfolgreicher Lehrer war, bezeugt eine Stelle in einem in den Innsbrucker Nachrichten veröffentlichten Nachruf: Er habe ehemaligen Schülern „durch seinen Ernst und seine Ruhe imponiert und mit Leichtigkeit die Disziplin aufrecht erhalten.“ Hintner verfasste auch Lehrbücher für den Griechischunterricht, von denen die meisten mehrere Auflagen erlebten und bis nach dem Ersten Weltkrieg in Gebrauch waren.
Für seine pädagogischen Verdienste wurden Hintner mehrere Ehrungen und Auszeichnungen zu teil: 1874 wurde er zum Professor ernannt, 1898 zum „Schulrath“; im Jahre 1905, ein Jahr nach seiner Pensionierung, wurde ihm das Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens verliehen.

Hintner als Sprachwissenschaftler und Dialektforscher
Bereits in einer seiner ersten Publikationen, dem „Kleinen Wörterbuch der lateinischen Etymologie“ (Brixen 1873) zeigte sich Hintners Vorliebe für sprachwissenschaftliche Fragen, genauer gesagt für den Zusammenhang verwandter Sprachen und die Herkunftsgeschichte (Etymologie) der Wörter. In besonderer Weise interessierte er sich für Dialektausdrücke und regionale Bezeichnungen. Später sollten ihn auch Fragen der Ortsnamenkunde (Flurnamen) interessieren.

Zugleich war Hintner ein leidenschaftlicher Vorkämpfer für den ‚echten’ Dialekt, den er durch Einflüsse von außen (vor allem aus der „Stadt“ und durch die Zeitungen) gefährdet, ja sogar vom Verschwinden bedroht sah. Seine Aufsätze und Bücher – sie betreffen hauptsächlich das Defereggental, das Iseltal, aber auch das Stubaital, wo Hintner des Öfteren auf Urlaub weilte – sind bis heute eine Fundgrube für alte Wörter geblieben. Sie enthalten aber auch wertvolle volkskundliche Informationen, wie z. B. über Weihnachtslieder oder Hochzeitsbräuche. Seine letzte derartige Publikation ist übrigens der Heimat seiner Vorfahren gewidmet (Die Gsieser Namen, erschienen 1909).