Hausierhandel

Der Hausierhandel: Vom Wanderhändler zum Fabrikanten (17.-19. Jahrhundert)

 

Nach dem allmählichen Versiegen des Bergbaues wanderten immer mehr Deferegger aus, um sich durch Wanderhandel das Überleben zu sichern. Zunächst hausierte man u. a. mit Wetzsteinen, Sensen und Sicheln, später mit Teppichen und Decken. Von den vertriebenen Gütern wurden lediglich Schüsseln aus Zirbenholz im Tal selbst hergestellt. Die Tatsache, dass man von „Deferegger Kotzen“ (=Decken) sprach, obwohl diese gar nicht im Tal, sondern im Raum Bruneck hergestellt wurden, zeigt jedenfalls, dass die Deferegger Hausierer überaus geschickt damit zu handeln wussten.
Zur Verstärkung des Kapitals gründeten die Hausierer aus verwandten Familien im Lauf der Zeit Kompanien. Jede dieser Handelsgesellschaften hatte ihren eigenen Geschäftsbereich. Anfang des 19. Jahrhunderts erfolgte nach und nach die Umstellung auf Handel mit Strohhüten und Uhren. Um das Jahr 1840 dürfte es nur rund 500 Hausierer gegeben haben, 60 Jahre später gab es nur mehr 50 Hausierbewilligungen.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte eine weitere Umstellung: Aus den Händlern wurden nunmehr Fabrikanten, die sich zumeist in den großen Städten der Monarchie (Klagenfurt, Graz, Laibach, später Wien, Budapest, Prag, Brünne, Lemberg, Hermannstadt) niederließen. Am meisten verbreitet waren Strohhutfabriken (Strohhüte wurden damals in großer Menge als Arbeitshüte in der Landwirtschaft benötigt).
Zu den bekanntesten Familien aus St. Jakob (und St. Veit; Hopfgarten war weniger stark vertreten) gehören die Familien Ladstätter, Oberwalder, Stemberger, Mellitzer, Kurzthaler und Kleinlercher. Der Niedergang der Deferegger Hutfabriken erfolgte nach den Ersten Weltkrieg, nachdem der einstige Wirtschaftsraum der Donaumonarchie verloren gegangen war. Heute bestehen nur mehr wenige Hut- und Uhrengeschäfte in einzelnen österreichischen Städten.
Charakteristisch für die Deferegger Fabrikanten, die man auch als „Forschtgiehner“, d. h. „Fortgeher“ (= Auswanderer) bezeichnet, ist, dass sie jedes Jahr ihre alte Heimat besuchten und auch in der Landwirtschaft (etwa bei der Heumahd) mithalfen. Auch heute, nach mehreren Generationen, ist der Kontakt zur alten Heimat zumeist nicht abgerissen.
Weniger stark als im Salzburgischen Defereggen (St. Veit und Hopfgarten) war im Tiroler Teil die lutherische Bewegung ausgeprägt: Rund 55 Ausweisungsbefehle wurden vollstreckt.