Reimmichl

REIMMICHL - Sebastian Rieger (1868-1953)

Sebastian Rieger wurde am 28. Mai 1867 im Weiler Inneregg der Gemeinde St. Veit in Defereggen, als erstes von fünf Kindern des weitgereisten Unternehmers und Landwirts Johann Rieger und der Maria Brugger vom Breiderhof, geboren.
Die Lust zum Fabulieren, zum „Reimen“, stammt wohl von seiner Mutter, einer sprachbegabten Frohnatur. Der junge Sebastian oder „Wastl“, wie er daheim genannt wurde, kam nach Lehrjahren am elterlichen Hof zum Studium.

Das Gymnasium und das Priesterseminar absolvierte er in der Bischofsstadt Brixen. Am 29. Juni 1891 konnte er dort vorzeitig die Primiz feiern, um anschließend die ersten Seelsorgsposten in Stilfes bei Maria Trens, nahe Sterzing, und in Sexten anzutreten. Durch seine Geschichten, die er im 1892 gegründeten „Tiroler Volksboten“ veröffentlichte, erhielt er alsbald den Übernamen „Reim-Michl“, der ihm als Pseudonym „Reimmichl“ zeitlebens bleiben und ihn in seiner Heimat Tirol und weit darüber hinaus bekannt machen sollte.

Ab 1897 übernahm er die Leitung der Redaktion des „Bötl“, wie der „Tiroler Volksbote“ im Volksmund alsbald hieß, und führte diese erfolgreiche Wochenzeitung ab 1898 bis 1911 von Gries am Brenner aus. Reimmichl erlebt bewusst die Nöte seiner Zeit, seines Bauernvolkes und regte u. a. die Gründung des Tiroler Bauernbundes 1904 in Sterzing an. Es war ihm stets ein persönliches Anliegen, die soziale Lage des verschuldeten Bauernstandes zu verbessern, dessen Überleben zu sichern.

1914 übersiedelte der mittlerweile als Volksschriftsteller berühmt Gewordene – sein erstes Buch „Aus den Tiroler Bergen“ erschien bereits 1898 – nach Heiligkreuz bei Hall in Tirol, wo er sich vom Erbteil seiner Eltern ein bescheidenes Häuschen erbauen konnte. Dort war er nicht nur als Kaplan tätig, sondern schuf auch 1920 den nunmehr bereits im 87. Jahrgang erscheinenden „Reimmichls Volkskalender“. Durch die Breitenwirkung dieses Kalenders – er erreichte bald alle deutschsprachigen Gebiete in Europa und Übersee – wurde Reimmichl ermöglicht, als Wohltäter seinen nach dem 1. wie auch nach dem 2. Weltkrieg hungernden und verarmten Landsleuten zu helfen.

Reimmichl war in den ersten drei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts zu Tirols bedeutendstem Volksschriftsteller geworden. Er publizierte nahezu 200 Geschichten und etwa 60 Romane in dieser Zeit. Nach dem Anschluss Österreichs an das großdeutsche Reich begann sein Leidensweg; seine aufrechte Haltung und eindeutige Gesinnung verurteilten ihn zum Schweigen. Auch Hausdurchsuchungen blieben ihm nicht erspart.

Nach 1945 konnte sein „Reimmichl-Kalender“ erneut erscheinen. Er redigierte ihn bis zu seinem Ableben und die Frucht dieser Arbeit waren auch weitere Reimmichl-Bücher, die es jetzt auf insgesamt fast 70 Titel brachten.

Was war das Geheimnis seines Wirkens? Es lag wohl in der schlichten, tiefgläubigen und sozial tätigen Persönlichkeit. Reimmichl lebte, was er schrieb. Er sorgte sich für sein Leser-Volk, blieb ihm stets herzlich verbunden. Die Millionenauflage seiner Kalender und Bücher, die auch fremdsprachige Übersetzungen erlebten – englisch, italienisch, slowenisch – haben den Poeten des kleine Volkes, den „Tag- und Nachtschreiber Gottes“, den „Pfarrer von Tirol“ trotz mancher Ehrung und übernationaler Anerkennung unberührt gelassen. Wichtig war und blieb ihm die Liebe seines Volkes.
Am 2. Dezember 1953 ist Sebastian Rieger – Reimmichl – in Hall in Tirol gestorben. Er ruht an der Südmauer der Kirche von Heiligkreuz.

(Dr. Walter Winfried Sackl, langjähriger „Kalendermann“, Hall in Tirol)