Kirche St. Leonhard

Kirche zum hl. Leonhard


Baugeschichte
Ursprünglich war St. Leonhard eine Filiale von St. Veit, die der Sage nach „über den Trümmern eines von einem Murbruch verschütteten Klosters“ (M. Pizzinini) entstanden sein soll. In ihrer heutigen Gestalt ist
St. Leonhard das Werk der Görzer Bauhütte, die in der
2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zahlreiche Kirchen erneuerte oder neu erbaute. Dank einer Inschrift im Inneren der Kirche kennen wir auch den Baumeister, einen gewissen Hans von Lienz. Demnach wurde der Chor 1464, das Langhaus um 1480 vollendet.
Die Kirche wurde im 18. Jahrhundert barockisiert, im Jahre 1872 regotisiert (= in einen Zustand versetzt, der wieder an die gotische Periode erinnern soll) und 1959 in sehr gelungener Weise restauriert. Dabei wurden u. a. die gotischen Gewölbemalereien freigelegt.

Der Bau
Die St. Leonhardskirche bietet bis heute ein gotisches Erscheinungsbild. An der Außenseite haben sich südseitig geringe Reste von Wandmalereien erhalten, darunter ein großer Christophorus, der hl. Leonhard (Befreiung der Gefangenen) und der hl. Vitus (mit Palme und Öllicht). Die Färbelung wurde bei der letzten Außenrestaurierung 1991 nach dem Original wiederhergestellt.
Auch der Innenraum ist in seinem Erscheinungsbild einheitlich spätgotisch. Dazu tragen vor allem die „klar strukturierte Architektur“ (M. Fingernagel), die qualitätvolle Malerei und die gleichmäßige Beleuchtung bei.

Die Ausstattung
a) Die Gewölbemalereien
Langezeit wurden die Malereien dem berühmten Südtiroler Maler Simon von Taisten (im Pustertal) zugeschrieben, was allerdings heute umstritten ist. Die Malereien an den Schlusssteinen wurden jedenfalls erst nach Vollendung des Baues, in einer zweiten Phase (um 1510) angefertigt. – Dargestellt sind zahlreiche Heilige, unter denen die drei Kirchenpatrone des Inneren Defereggentals zu erwähnen sind: Jakobus, Leonhard und Vitus (auf den Schlusssteinen in Chor). Zwischen den Gewölberippen findet sich feingliedriges Rankenwerk. Im dritten südlichen Joch des Kirchenschiffes befindet sich die Vorzeichnung eines springenden Steinbocks.

b) Die Pinselstrichzeichnung auf der Empore
An der südseitigen Wand im Bereich der Empore befindet sich die Darstellung eines vornehmen Mannes (Höhe ca. 120 cm, teilweise zerstört). Er hat individuelle Gesichtszüge, verbrämten Mantel, Barett und Umhängtasche (Geldkatze), auf die er mit seiner Linken hinweist. Es handelt sich vermutlich um eine Stifterfigur, die vielleicht auch mit dem Bergbau in St. Jakob in Verbindung zu bringen ist. Letzteres bleibt aber eine reine Vermutung.

c) Altäre, Bilder und Statuen
Über das Aussehen der ursprünglichen Altäre ist nichts bekannt. 1872 wurde ein neugotischer Hochaltar angefertigt, von dem es nur mehr eine Photographie gibt. Er wurde in den 1950er Jahren entfernt. Die Mensen (= steinerner Unterbau) sind großteils noch original.
Auf dem Hochaltar befindet sich heute ein barockes Kruzifix des 18. Jahrhunderts, an der Wand des Chores befindet sich (vom ehem. Hochaltar) eine Figur des hl. Leonhard. Die Figur des hl. Silvester schuf Hans Pontiller (1962).
Auf den Seitenaltären befinden sich ein Herz- Jesu- und eine Herz-Mariä-Bild, die beide aus dem 18. Jahrhundert stammen.

d) Die Glocken und der Brief aus dem Turm
Im Turm von St. Leonhard hat sich noch eine Glocke aus dem Jahre 1747 erhalten (Glockengießerei Grassmayr, Innsbruck). Sie ist die drittälteste des Defereggentales. Die anderen Glocken wurden nach dem Ersten Weltkrieg von der Fa. Böhler (Kapfenberg) angefertigt.
Im Jahre 1991 wurde bei der Restaurierung des Turmes ein Brief aus dem Jahre 1711 entdeckt, dessen Text Auskunft über die damals tätigen Handwerker gibt und die damalige politische Situation beleuchtet: Es war die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges. Eine Replik der Urkunde findet sich im Museum Zeitreise Defereggental.


Literaturhinweis:
F. Haesler, Tiroler Heimatblätter 36 (1961), Heft 4/6.
M. Fingernagel-Grüll, Die Kunstdenkmäler des Politischen Bezirkes Lienz (Österreichische Kunsttopographie Bd. LVII/3), Horn 2007, S. 242-255.
M. Pizzinini, Osttirol (Österreichische Kunstmonographie, Bd. 7), Salzburg 1974,
S. 281-285.
W. Potacs, Die Botschaft vom Turm der Leonhardskirche in St. Jakob i. D., Osttiroler Heimatblätter 8/1991.